STÄDTEBAU
Mit der „Neuen Mitte“ setzt die Ortsgemeinde Essenheim einen richtungsweisenden Impuls für die zukünftige Attraktivität des Dorfes in seiner Außenwahrnehmung, aber vornehmlich für einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt ihrer Einwohner. Die Balance zwischen der wahrnehmbaren baulichen Qualität, der neu entstehenden Dorfbausteine, unter gleichzeitiger Achtung der ortscharakteristischen, historisch gewachsenen Bautypologie und den damit einhergehenden städtebaulichen Hierarchien, ist innerhalb dieser Bauaufgabe von zentraler Bedeutung. Die beiden neu geschaffenen Bauten und das damit verbundene Platzensemble gliedern sich in ihrer Dimensionierung und Höhenstaffelung in die Klassifikation des rheinhessischen Dorfgefüges ein, ohne mit der bestehenden identitätsstiftenden Bausubstanz in Konkurrenz zu treten. Als Pendant des historischen Rathauses positioniert sich der Hotelbaukörper als platzbespielender Aktivpol in der „Neuen Mitte“, während das Geschäftshaus, mit der platzseitig situierten Bankfiliale, als abschließender Baustein das städtebauliche Ensemble vis à vis des Domherrenhofes vervollständigt. Im Zentrum dieses Zusammenspiels aus bestehender Ortsstruktur und den neu entstehenden Dorfbausteinen, entfaltet sich der Dorfplatz als neuer, gemeinschaftlicher öffentlicher Mittelpunkt der Gemeinde.
PROGRAMMATIK
In ländlichen Regionen kämpfen die Dorfmitten, bedingt durch die Kommerzialisierung lokaler Konsumanbieter und der damit verbundenen Abwanderung in die peripheren Randbereiche der Gemeinden, seit Jahrzehnten gegen eine fluktuierende Dezentralisierung des Gemeindelebens. Der Versuch einer Reaktivierung der Dorfmitte als Zentrum der Gemeinde kann nur von Erfolg gekrönt werden, wenn es gelingt die bestehenden Strukturen zu stärken und durch nachhaltig sinnhafte Neuansiedlungen dauerhaft zu festigen . Die „Neue Mitte“ generiert ein Netz einer synergetischen Koexistenz, die aus dem symbiosenhaften Zusammenspiel ihrer einzelnen Bausteine mehr entstehen lässt, als die bloße Summe ihrer Einzelkomponenten und damit nachhaltig eine Belebung der Dorfmitte gewährleistet. Durch die Zusammenarbeit von regionalen Winzern und Lebensmittelmanufakturen kann das „Kulinarium Rheinhessen“, als lokal verankerte Einkaufsalternative, in Wechselwirkung mit den ortsansässigen Gastwirtschaften und der hausinternen Vinothek treten. Gleichzeitig dient das Kulinarium als Repräsentant, sowie Essenheims überregionales Aushängeschild der rheinhessischen Genusskultur. Die integrierte Gastronomie lädt die Gemeindemitglieder zu einem authentisch rheinhessischen Frühstück im Schatten der St. Mauritius-Kirche ein und deckt zugleich die Grundbedürfnisse der Hotelgäste in den Morgen- und Abendstunden ab. Eine bewusste Reduzierung auf einen Bistro- und Vinothekbetrieb unterstützt die ortsansässigen Restaurants wie z.B. „Domherrenhof“, „Zum roten Ochs“ oder „Neubrunne Stübel“, durch kontinuierlich wechselnde Kundschaft, die das Hotel mittels seines Gästeaufkommens generiert. Die platzseitige Situierung der Bankfiliale sorgt für zusätzliche Dynamik auf dem Dorfplatz und garantiert Laufkundschaft für die ansässigen Institutionen. Nur durch das Zusammenspiel der dorfmittig angesiedelten Einrichtungen kann ein kontinuierlich funktionierendes Dorfzentrum in Essenheim, als Herz der Gemeinde, gewährleistet werden. In diesem Kontext ist von zentraler Bedeutung, dass die neuen Baukörper und deren Nutzung nicht in Konkurrenz zur bestehenden Struktur treten, sondern vielmehr mit ihr verschmelzen und somit auch die bereits vorhandenen Einrichtungen von den hieraus resultierenden Synergieeffekten profitieren können.
ERSCHEINUNGSBILD / MATERIALITÄT
Der neue Ortsmittelpunkt generiert seine Identität aus der starken Authentizität der bestehenden baulichen Struktur. Als Leitbild des Projektes wird die Charakteristik der regional typischen Dorfbebauung aufgegriffen. Dabei werden die spezifisch prägenden Erkennungsmerkmale neuzeitlich interpretiert, um dauerhaft ein gesamtheitliches Erscheinungsbild der Dorfgemeinde zu erschaffen. Die Sockelzonen aus ortstypischem Bruchstein setzen sich markant in ihrer Materialität vom oberen Geschoss ab und erzeugen ein einheitliches Gesamtbild im Zusammenspiel mit dem neuen Dorfplatz. Durch die Einrahmung der historisch inspirierten Fenstergliederung, mit umlaufenden Fensterfaschen, entsteht eine adaptierte Interaktion mit dem signifikanten Erscheinungsbild des Domherrenhofes, dem historischen Rathaus und der neuen Baukörper.
ERSCHLIEßUNG / VERKEHRSKONZEPT
Der südöstliche Treppenaufgang greift das ortstypische Gassenbild auf, lenkt jedoch den Blick beim Betreten des Dorfplatzes auf die Bruchsteinfassade des Rathauses und die dahinter liegende St. Mauritius-Kirche. Durch den subtilen Umgang mit der ortstypischen Hanglage trennt dieser Treppenaufgang den neuen Dorfgarten vom Außenbereich des Hotels und kreiert somit eine Atmosphäre der Intimität auf der dortigen Sonnenterrasse. Die Aufweitung der Straße der Champagne im Bereich des Knotenpunktes Hauptstraße / Elsheimer Str. führt zu einer Entschleunigung des Dorfmittelpunktes. Der somit ermöglichte kontinuierliche Verkehrsfluss bewirkt unmittelbar eine wahrnehmbare Erhöhung der Lebensqualität für die dortigen Anwohner und Besucher. Durch das Entkoppeln der Anfahrt und Parksituation für die „Neue Mitte“ vom dortigen allgemeinen innerörtlichen Verkehrsgeschehen wird kein zusätzliches Verkehrsaufkommen durch die Neuansiedlung der dortigen Nutzer generiert. Das Einrücken der neu positionierten Bushaltestelle „Rathaus“ ermöglicht ein weiterfließen des Verkehrs, unabhängig von der Präsenz öffentlicher Verkehrsmittel.
DORFPLATZ
Als neues Zentrum der Gemeinde bietet der Dorfplatz Raum für wechselseitige Interpretation der neuen öffentlichen Freifläche und lädt zur Partizipation der Dorfgemeinschaft bei seiner Bespielung ein. Durch eine saisonal wechselnde Interpretation dieses neuen öffentlichen Gemeinschaftraumes entsteht ein Dorfzentrum für alle Altersklassen und gesellschaftlichen Gruppen innerhalb der Dorfgemeinschaft. Die Abtreppung zur Hauptstraße kann als zusätzliche Sitzfläche für Freilichtveranstaltungen, in Kooperation mit dem ortsansässigen Kunstforum oder anderen kulturellen Veranstaltungen, aktiviert werden. Bei den traditionellen Gemeindefesten verwandelt sich der Dorfplatz zu deren tatsächlichen „Neuen Mitte“ im Zentrum der Gemeinde. Eine veranstaltungsunabhängige Belebung der Platzsituation wird durch die Ansiedlung des Bistros / der Vinothek und des „Kulinarium Rheinhessen“, sowie der neuen Bankfiliale gewährleistet. Das Platzmobiliar lädt die Gemeinde und deren Besucher zum Verweilen im Schatten der authentischen rheinhessischen Dorfmitte ein, erweitert die Platzqualität um ein einmaliges Aufenthaltserlebnis und komplettiert dessen gesamtheitliches Erscheinungsbild.
KIRCHENAUFGANG
Der neugestaltete pittoreske Kirchenaufgang akzentuiert die eindrucksvolle Gestalt der St. Mauritiuskirche und bindet diese spürbar in das innerörtliche Gesamtensemble, bestehend aus Kunstforum, Rathaus, Domherrenhof und „Neuer Mitte“, ein. Durch die neue Ausrichtung der repräsentativen Treppenanlage wird die Kirche Ausgangspunkt und Ziel beim Flanieren durch den neugestalteten Dorfmittelpunkt. Kulissenartig inszeniert der Treppenaufgang die St. Mauritiuskirche als Szenerie für Hochzeiten, Taufen oder Kirchenfeste.
DORFGARTEN
Als Gemeinschaftsgarten Essenheims zeigt der Dorfgarten einen Querschnitt durch die regionaltypische rheinhessische Flora. Die Bepflanzung mit ausschließlich regionalen Gewächsen, von Heilkräutern wie Löwenzahn, Wegwarte, Johanniskraut, bis zum prominenten Weinstock bietet, bei geringem Pflegeaufwand, den Grundschulklassen und Kindergärten der Verbandsgemeinde ein didaktisch regionales Ausflugsziel. Über kleine Infotafeln können den Besuchern die traditionelle Konstitution des Essenheimer Umlandes näher gebracht werden. Zeitgleich lädt die kleine Oase des Dorfzentrums zum Verweilen im Schatten der Weichselbäume, bei malerischer Aussicht auf das rheinhessische Umland, ein.